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„Die Hochschule ist unser Leben“

47 Jahre lang haben Andreas Kienlin und Jochen Breme als Studenten, Dozenten und Professoren die Entwicklung der Alanus Hochschule von ihren Anfängen bis zur staatlichen Anerkennung erlebt und vor allem die Bildhauerei entscheidend geprägt. Im Herbst 2021 werden sie emeritiert. Mit ihnen verlassen zwei sehr geschätzte Professoren die Hochschule. Auf dem Johannishof, wo alles anfing, haben wir sie getroffen – und mit ihnen zurück geblickt.

Lieber Andreas, lieber Jochen, ihr seid beide Anfang der 1970er-Jahre nach Alfter gekommen. Wie ist es dazu gekommen?

Andreas Kienlin: 1974, als 19-Jähriger, war ich das erste Mal auf dem Johannishof. Man kann sich das heute gar nicht mehr vorstellen: Der Weg hinunter zum Johannishof war komplett zugewachsen mit Brombeeren. Den kleinen Teich habe ich erst nach einem halben Jahr entdeckt. Doris Hapers, eine Studentin und schon damals eine lebende Ikone, hat mich herumgeführt und mir erzählt, dass hier eine Kunsthochschule entstehen soll. Ich wollte unbedingt Kunst studieren und bin geblieben.

Jochen Breme: Das erste Mal war ich 1973 hier oben. Ich komme aus Bonn-Oberkassel und habe damals von der Initiative erfahren, dass in Alfter eine Hochschule gegründet werden sollte. Ich war völlig beeindruckt vom Johannishof und den Menschen hier. Viele Studierende kamen aus der linken Studentenbewegung. Ich hatte gerade Hermann Hesses „Glasperlenspiel“ gelesen: Darin wird eine pädagogische Provinz für die Zukunft entworfen. Und ich dachte: Mensch, das gibt´s ja wirklich. Nach meinem Zivildienst bin ich dann zum Studieren an die Alanus Hochschule zurückgekommen.

Wie war denn das Studium damals?

AK: Die ersten drei Jahre des Studiums habe ich vor allem gebaut. Die Liebe zum Gestalten, zum Umarbeiten der Materie, habe ich damals entdeckt. Wir haben gearbeitet ohne Ende, um den anderen Studierenden Ateliers zu schaffen. Das Studieren war auf einer ganz anderen Ebene und ganz anders als heute. Wir waren eine Gemeinschaft. Man war im Geschehen drin und hat nie die Frage gestellt: Bekomme ich jetzt etwas für mein Geld. Es hat auch niemand von uns daran gedacht: Was werde ich denn mal später?

JB: Wir haben den Johannishof mit aufgebaut. Für mich – als Beamtensohn – war das total wichtig, um auf den Boden zu kommen. Das war natürlich anstrengend, aber vor allem eine große Freude! Wir hatten das Glück, in dieser euphorischen Pionierphase dabei zu sein.

Wie ging es nach dem Studium weiter?

AK: Uns beide verbinden einige Schicksalsmomente. Es gibt ja im Leben immer wieder Knotenpunkte. Wenn wir zurückblicken, gibt es viele Momente, die uns zusammengeführt haben – ohne dass wir das geplant hatten. Ich hatte auch nicht geplant, nach dem Studium an die Alanus Hochschule zurückzukehren. Ich habe damals den Kriegsdienst verweigert und wurde für den Zivildienst eingezogen. Mir wurde angeboten, den Zivildienst an der Alanus Hochschule zu machen. So bin ich dann 1979 wieder nach Alfter gekommen. Und war dann quasi „Zivil-Dozent“. So fing meine Karriere an Alanus an.

JB: Nach drei Jahren Studium an der Alanus Hochschule bin ich 1979 nach Weißenseifen, einen Ort in der Eifel, gezogen und habe dort mit dem Bildhauer Günther Mancke, der Gastdozent an der Alanus Hochschule war, gearbeitet. Ab 1983 habe ich in Berlin gelebt und dort ein Atelier gehabt. 1989 hat mich Andreas zurück an die Alanus Hochschule geholt.

Niemand hat die Bildhauerei an der Alanus Hochschule mehr geprägt und mit Leben gefüllt als ihr. Worauf seid ihr besonders stolz?

JB: Wir beide sind grundsätzlich verschieden. Trotz oder gerade wegen dieser Polarität waren und sind wir befreundet und haben hier an der Hochschule ein Feld aufspannen können zwischen den Polen der Konzentration auf die materialbezogene Bildhauerei einerseits und der Erweiterung hin zur Installation und weiteren zeitgenössischen Medien andererseits. Die Bildhauerei wurde viel stärker geerdet. Das ist Andreas´ Verdienst. Ich wiederum habe in meiner Studienzeit sehr stark unter der Abschottung zur aktuellen Kunst gelitten – und es war ein Impuls von mir, die Bildhauerei zu einem zeitgenössischen Diskurs hin zu öffnen. Gerade das zusammen ist bis heute eine Alleinstellung, die immer noch Menschen hierhin bringt. Dabei arbeiteten wir beide immer aus dem Bewusstsein heraus, dass die Grundidee dieser Hochschule und die Anthroposophie unsere gemeinsame Grundlage ist.

AK: Dieses künstlerische Spannungsverhältnis zwischen Jochen und mir hat Freiraum geschaffen. Wir haben immer wieder Gastdozierende eingeladen, die ihre bildhauerischen Erfahrungen und verschiedene Materialien eingebracht haben. So wurde ein künstlerischer Raum geschaffen, in den die Studierenden hineingehen, sich orientieren und entwickeln – also einen Erfahrungsschatz sammeln – konnten. Für mich war auch sehr wichtig, dass wir keine Ellenbogen-Gesellschaft aufbauen. Der Studierende stand und steht im Mittelpunkt.

Lieber Andreas, du hast das Steinsymposium in Norwegen etabliert. Über viele Jahre haben unzählige Studierende in Åsgard, wo du ja auch lebst, mit Stein gearbeitet. Ein Höhepunkt im Studium für viele Studierende. Wie hast du das erlebt?

AK: Das Steinsymposium ist ein Baustein der Gesamtausbildung. Seit 1993 bin ich mit Studierenden jedes Frühjahr nach Norwegen gefahren. Mir war immer das Gesamtkonzept wichtig: Wir bereiten das gemeinsam vor, akquirieren Geld, fahren dort hin. Man lebt, feiert und arbeitet zusammen. Und organisiert dann eine Ausstellung. Ich habe meine Bereitschaft erklärt, es weiterhin anzubieten. Ich freue mich über jeden, der dort wieder einen Meißel in die Hand nimmt. Ich möchte den Ort auf jeden Fall künstlerisch wach halten. Das ist kein Rentendomizil! Aber wie es mit Alanus weitergeht, hängt vor allem von den Kolleginnen und Kollegen ab, die künftig an der Hochschule lehren.

Öffentlich wirksam und wahrgenommen wurden, lieber Jochen, vor allem die LandART-Projekte, die du organisiert und konzipiert hast. Warum waren diese Projekte wichtig für dich?

JB: Ja, es stimmt, dass die LandART-Projekte öffentlich besonders wahrgenommen wurden. Ich würde aber nicht sagen, dass sie mein alleiniger Schwerpunkt waren oder sind. Die Projekte haben mir immer wieder die Möglichkeit gegeben, Natur zu erleben. Wenn ich auf die letzten Jahre schaue, dann haben wir eine West-Ost-Linie durch Europa gezogen – von der französischen Westküste über viele Orte in Deutschland, Österreich bis Griechenland. Jedes Jahr war ich mit dem zweiten Studienjahr im Frühjahr an einem neuen  Ort, während Andreas mit dem ersten Studienjahr in Norwegen war. Auch das ist wieder so ein Signum, diese Verortung, wo der Stein und die Gebirge sehr alt sind, die Erdung besonders spürbar ist – dort hat Andreas einen Punkt gesetzt. Ich dagegen bin in Europa hin und her gezogen, um immer wieder zu erfahren, was es heißt, dass für uns alles neu ist, da wo wir hingehen – auch für mich. Und man entwickelt Kunst in Tuchfühlung mit dem, was man vorfindet. Ob das auf dem Land oder in der Stadt ist, das ist nicht so wichtig.

Welche Gedanken habt ihr, wenn ihr zurückblickt?

AK: Es hat immer Spaß gemacht. Klar, ich habe auch Höhen und Tiefen hier erlebt. Aber letztendlich, wenn ich zurückblicke: Ich habe super viel gelernt, und mir hat es immer Spaß gemacht. Mit den Studierenden, mit den Kolleginnen und Kollegen – ob es im Rektorat war, wo ich ja auch ziemlich viel Zeit meines Lebens verbracht habe. Ich möchte nichts missen, die Hochschule hat mir mein Leben ermöglicht. Das Schicksal war sehr gnädig mit mir.

JB: Die Hochschule ist lebendig – durch all die Menschen, die hier studiert oder gelehrt haben. Alanus hat sich unglaublich ausgeweitet. Wir haben Kontakt zu vielen Alumni in aller Welt und wissen, dass da eine große Gemeinschaft gewachsen ist. Das sind wirklich viele. Und das gehört zu unserem Lebensglück dazu, dass wir so viele junge Menschen kennengelernt und begleitet haben. Wir können beide sagen: Die Hochschule ist unser Leben.

Herzlichen Dank für das Gespräch und alles Gute für euch!

„Die Hochschule ist unser Leben“