1. Sie studieren im sechsten Semester Kunst-Pädagogik-Therapie. Die Corona-Krise hat auch den Hochschulalltag an der Alanus Hochschule verändert. Die Ateliers sind geschlossen. Wohin haben Sie Ihren Arbeitsplatz verlegt?
Nach Draußen, in den öffentlichen Raum. Ich beschäftige mich künstlerisch mit performativen Interventionen im Raum und hinterfrage, welchen Einfluss wir auf unseren Umraum haben und inwiefern dieser uns wiederum prägt. So interessiert mich gerade besonders, welche Rolle der physische Raum für unser künstlerisches Schaffen spielt. Die Schließung der Ateliers hat mich dazu bewegt, mein Schaffen ausschließlich auf den öffentlichen Raum zu verlagern und somit meine Umgebung und die Menschen, denen ich dort begegne, als Material für meine Kunst zu sehen. Ich finde es gerade jetzt, wo die Kunstinstitutionen geschlossen sind, interessanter und wichtiger denn je Kunst nach draußen zu bringen.
2. Wie hat sich Ihr Studienalltag verändert und welche Herausforderungen gibt es in den virtuellen Vorlesungen?
Ich verbringe gerne viel Zeit an der Hochschule und schätze den intensiven und wertvollen Kontakt vor Ort. Es fällt mir leider schwer, außerhalb des Hochschulkontextes so produktiv wie normalerweise zu sein. Mir ist der regelmäßige Austausch über meine Arbeit und über die künstlerischen Prozesse meiner Kommilitonen sehr wichtig und ich arbeite sehr gerne in gemeinsamen Projekten. Dies wurde mir leider durch die gegebene Situation erschwert: Die Zusammenarbeit per Telefon oder Video fällt mir schwer, da mir körperliche Präsenz sehr wichtig ist. Ich schätze es sehr, dass wir die Möglichkeit der virtuellen Vorlesungen haben und so trotzdem noch Input bekommen und im Austausch stehen. Diese sind jedoch meiner Meinung nach viel mühsamer und kosten sehr viel Kraft; das Aufkommen von Interaktion erfordert besonders viel Initiative und Bereitschaft sowohl seitens der Student*innen als auch der Dozent*innen.
3. Auf Ihrem Instagram-Kanal posten Sie seit Ende März Performances unter dem Titel „One intervention in public space per day“. Inspiriert Sie die Krise künstlerisch?
Ich habe mich schon vor der Krise mit Kunst im öffentlichen Raum befasst. Nach der Ankündigung des Lockdowns wurde mir zunächst die Ironie meiner künstlerischen Arbeit unter den gegebenen Umständen bewusst. Dann habe ich gemerkt, wie wichtig genau dieses Tun gerade ist. Ich will nach außen bringen und sichtbar machen, in einer Zeit, in der wir uns in das Innen zurückziehen müssen. In den Interventionen habe ich mich mit der Frage nach dem Innen- und Außenraum befasst. Ich beschäftige mich mit der Ambivalenz zwischen Schutz und Begrenzung, Verbindung und Abgrenzung. Zudem werfe ich die Frage nach dem Zuhause, dem privaten Raum, auf: Wo befindet sich dieser? Wie definieren wir diesen? Und wer entscheidet darüber? Ich will durch meine künstlerischen Interventionen Bewusstsein für den Umraum schaffen. Die Krise fokussiert genau dieses Thema. Ich will den Betrachter dazu auffordern, wahrzunehmen durch welchen Raum er sich bewegt, wieso er sich durch diesen Raum bewegt und womit und mit wem er dort in Kontakt tritt.
4. Sie kommen ursprünglich aus Luxemburg. Haben Sie überlegt in dieser Zeit nach Luxemburg zurückzugehen und von dort zu studieren?
Ich habe tatsächlich für ein paar Wochen von Luxemburg aus gearbeitet. Es war spannend meinen Hochschulalltag "normal" weiterzuverfolgen, nur von einem anderen Ort aus. Theoretisch könnte ich überall sein und weiterstudieren. Ich habe mich jedoch dazu entschieden wieder nach Bonn zurückzukehren, da ich mein letztes Semester hier abschließen will und jede Möglichkeit nutzen möchte, in meinem gewohnten Kontext weiterzuarbeiten, auch wenn dies nur unter gewissen Umständen möglich ist.
5. Was vermissen Sie in dieser außergewöhnlichen Zeit?
Ich vermisse besonders den zwischenmenschlichen, physischen Kontakt, die Freiheit mich mit meinen Mitmenschen uneingeschränkt austauschen zu können. Es fehlt mir sehr, gemeinsam zu tanzen. Ich wünsche mir so sehr, in einem vollen Raum zu sein und sich gemeinsam zur Musik zu bewegen und sich zu verbinden. Am schwierigsten ist es für mich, gemeinsame künstlerische Prozesse nicht wie gewohnt entstehen lassen zu können. Ich will jedoch diese Situation positiv nutzen, um herauszufinden, wie ich das Gemeinsame über andere Wege entstehen lassen kann.