Vorträge, Workshops, künstlerische Erfahrungen: Das Institut für Sozialorganik an der Alanus Hochschule für Kunst und Gesellschaft in Alfter bei Bonn bot auf seiner Jahrestagung am 7. November 2018 unter dem Thema „Führung in Krise(n) – über die Kunst, Chancen zu erkennen“ ein vielfältiges Programm, an dem über 180 Interessierte aus Wirtschaft, Wissenschaft und Kunst teilnahmen.
Wie können wir Unternehmen sicher durch Krisen führen? Welche Entwicklungsschritte sind notwendig, um Krisen als Chance begreifen und nutzen zu können? Mit diesen Fragen eröffnete Prof. Dr. Götz E. Rehn, Leiter des Instituts für Sozialorganik sowie Gründer und Geschäftsführer von Alnatura, die Konferenz.
Rehn ging in seinem praxisnahen und inspirierenden Vortrag „Die Krise als Chance“ auf die herausfordernde Situation ein, in der sich Unternehmen aktuell befinden. Mangelndes Vertrauen in die Politik, neue Technologien sowie der zunehmende Wunsch nach mehr Flexibilität erfordern neben technischen vor allem auch soziale Innovationen. In der Hoffnung, Wege zu finden, um mit der Lage besser umzugehen, wird bereits vielerorts mit neuen Formen der Zusammenarbeit und Unternehmensführung experimentiert.
Die zu bewältigende Transformation kann dabei bisweilen jedoch einen krisenhaften Charakter annehmen, wie Rehn aus eigener Erfahrung weiß. Er berichtete von Krisensituationen bei Alnatura und darüber, wie das Unternehmen die Krise als Chancen nutzen konnte.
In ihrer Keynote „Führung in Krisenfällen“ berichtete Daniela Lesmeister aus Ihrem Führungsalltag als Leiterin der Polizei NRW. Ein Führungsstil à la ‚Command and Control‘, so Lesmeister, sei in diesem Job alternativlos, denn in Notfällen und Krisensituationen fehle schlichtweg die Zeit für basisdemokratische Konsensfindung. In solchen Situationen sei es notwendig, dass Entscheidungen schnell und klar getroffen werden. Diese treffe die hierarchisch am höchsten stehende Person, um eine klare Verantwortlichkeit zu schaffen und Diskussionen zu vermeiden. Die Herausforderung, zu gewährleisten, dass die Führungskräfte der hohen Verantwortung gerecht werden und die Machtposition nicht ausnutzen, werde bei der Polizei durch eine sehr gute Ausbildung sowie stete Weiterbildungen und Reflexion der Führungskräfte sichergestellt.
In der anschließenden Keynote „Nur der Himmel ist höher – Herausforderungen meistern“ berichtete die Extrembergsteigerin Helga Hengge davon, wie sie sich beim Besteigen der höchsten Berge immer wieder selbst überwinden muss, und was ihr in der Konfrontation mit physischen und emotionalen Grenzgängen hilft. Insbesondere die innere Einstellung sei hier sehr wichtig: Es geht darum, nicht gegen den Berg/die Herausforderung/das Schicksal anzukämpfen, sondern zu vertrauen. Dies habe sie von den Sherpas gelernt, die sie auf ihren Touren begleiten. Sie geben alles in die Hände von ‚Mutter Erde‘ und vertrauen darauf, dass diese schon für alle sorge. So schicke sie etwa genau dann Stürme, wenn das Team ruhen müsse, um sich auf den Anstieg vorzubereiten. Angesichts schwierigster Herausforderungen solle man zudem nicht auf das schauen, was noch vor einem liegt, wie etwa den schweren Aufstieg zum Gipfel, sondern auf das, was man schon alles geleistet und geschafft hat. Mit diesem Mindset könne man anstehende Schwierigkeiten überwinden und über sich hinauswachsen.
Am Nachmittag machte Annemarie Ehrlich, Gründerin des Instituts für Eurythmie im Arbeitsleben, das Zusammenwirken von Wort und Bewegung in einer gemeinsamen Kunsterfahrung für die Teilnehmer direkt auf eindrucksvolle Art erlebbar. In verschiedenen Kurzreflexionen übten sich die Teilnehmer darin, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren und gemeinsam Sprache und Bewegung zu koordinieren.
Anschließend diskutierten die Teilnehmenden in fünf parallel stattfindenden Workshops mit Vertretern aus der unternehmerischen Praxis darüber, wie Führung in Krisen gelingen kann.
Auf Basis der langjährigen Erfahrung von PREMIUM ging es im Workshop „Firmenführung im Konsens“ von Gregor May, der seit 2014 verschiedene Aufgaben für das Kollektiv übernommen hat und derzeit unter anderem mit Vorträgen und Workshops für das Kollektiv aktiv ist, um die Theorie und Praxis von Konsensbildung im wirtschaftlichen Kontext. Die Konsensdemokratie, die bewusste nicht- hierarchische und gemeinsame Entscheidungsfindung mit allen direkt Betroffenen, ist ein wesentlicher Bestandteil der Arbeitsweise von PREMIUM. Dadurch ergeben sich nicht nur klügere, sondern in der Regel auch sozialere Entscheidungen, weil alle Bedürfnisse und Bedenken eingebracht werden, so May.
In dem Workshop „Komplex ist nicht gleich kompliziert“, von Pia Heinze und Backo Schönfeld, die beide als Scrum Master bei der sipgate GmbH arbeiten, gab es neben einem Einblick in die Arbeitsphilosophie von sipgate ein ganz praktisches Erlebnis davon, wie systemische Prinzipien auf Führung übertragen werden können.
In ihrem Workshop „Selbststeuerung in Krisensituationen“ gingen Tom Andreas, Coach im eigenen Institut und Eckhard Münch, Sozialwissenschaftler und Coach, der Frage nach, wie wir im Chaos navigieren und Sinn finden können. Entlang eigener Erfahrungen bestand die Einladung, in einer praktisch geführten Selbstreflektion eigene Muster besser zu verstehen und individuelle Möglichkeiten für einen guten Umgang mit andauerndem Wandel zu erkunden.
Stefan Mayer, Bereichsverantwortlicher für den Filialvertrieb bei Alnatura, berichtete in dem Workshop „Wirksamkeit statt Egotrip – vom Entscheider zum Berater“ von seiner Erfahrung mit der stetigen Veränderung seiner Führungsrolle im Unternehmen Alnatura.
In dem Workshop „Krise als Chance für einen Neuanfang – Alten- und Krankenpflege im Team und auf Augenhöhe“ auf berichtete Andreas Klein, Geschäftsführer von CareTeam, von den Hürden einer Transformation von Organisation und Gesundheitssystem. Ziel von CareTeam ist es, die Pflege in Deutschland zu revolutionieren. Während in den letzten Jahrzehnten die Patienten als Menschen vernachlässigt worden sind und zu „Kunden“ wurden, denen man Produkte verkauft, ohne eine persönliche Verbindung aufzubauen, will CareTeam die Fragmentierung der Pflege aufheben, indem sich selbst führenden Teams sinnvolle Abläufe gestalten, die die Patienten als Menschen ernstnehmen.
Zum Abschluss des Tages konnten die Teilnehmenden noch die Essenzen der Tagung in einem Dialog mit wechselnden Gesprächspartnern herausfiltern. Hierfür wurden entlang von drei Reflexionsfragen die Kernerkenntnisse besprochen und Ergebnisse auf Papiertischdecken schriftlich oder skizzenhaft fixiert. So konnten die vielfältigen Erfahrungen nochmal verarbeitet, besprochen und untereinander vernetzt werden.
Am 14. November veranstaltet das Institut für Sozialorganik seine diesjährige Jahrestagung an der Alanus Hochschule in Alfter anlässlich des hundertjährigen Jubiläums der Dreigliederungsidee von Rudolf Steiner.