Anregungen für Pädagogen, die neue Wege für den Unterricht in der Oberstufe suchen
Wie sieht der Unterricht von morgen aus? Was braucht es, um bis zum Abitur Freude an der Schule zu haben? Wodurch kann selbstbestimmtes, partizipatives und eigenverantwortliches Lernen gelingen? Schüler, Lehrer, Eltern sowie Experten aus dem wissenschaftlichen Beirat haben auf diese Fragen Antworten gesucht und an der Evangelischen Schule Berlin Zentrum (ESBZ) ein Konzept für eine zeitgemäße Oberstufe entwickelt. Begleitet wurden sie dabei von den Bildungsforschern Prof. Dr. Dirk Randoll, Dr. Jürgen Peters und Petra Ehrler, die das Projekt über einen Zeitraum von drei Jahren (2016-2019) evaluiert sowie die gewonnenen Erkenntnisse nun im Beltz Juventa Verlag unter dem Titel „Lernen mit Freude – bis zum Abitur. Das Neue Oberstufenkonzept an der Evangelischen Schule Berlin Zentrum“ veröffentlicht haben. Ziel der Studie, die am Institut für Erziehungswissenschaft und empirische Bildungs- und Sozialforschung der Alanus Hochschule durchgeführt sowie von der Software AG – Stiftung in Darmstadt finanziell gefördert wurde, ist es, Oberstufenlehrern wissenschaftlich evaluierte und bewährte Beispiele aus der schulischen Praxis an die Hand zu geben.
Die Schulleiterin Caroline Treier stellt heraus, dass die wissenschaftliche Begleitung, die parallel mit der Einführung der Neuen Oberstufe entstanden ist, eine Bereicherung darstellt: „Die Studie zeigt die Ergebnisse unserer jahrelangen Arbeit. Mit ihr erhalten wir zudem Impulse für unsere Reflexion.“ Mit der Veröffentlichung sei es gelungen, innovative pädagogische Ansätze sichtbar zu machen. Die konkreten Beispiele des Buches würden zum Abschauen und Weiterentwickeln regelrecht einladen.
„Ältere Schüler wollen ihren Lernweg selbst bestimmen sowie ihren individuellen Bedürfnissen anpassen“, sagt Ehrler. Vor diesem Hintergrund wurden an der ESBZ „Pulsarwochen“, „Lern- und Arbeitskompetenz-Workshops“ sowie „Lernexpeditionen“ entwickelt, die das traditionelle Kursmodell in der Oberstufe zum Teil ersetzen sowie Raum für eigenverantwortliches Arbeiten geben. Dabei binden die Lehrer die Schüler aktiv in die Gestaltung von Lernprozessen ein – im Sinne einer Schule als demokratische Gemeinschaft. „Hierdurch fühlen sich die jungen Heranwachsenden in ihrer Kompetenz sowie mit ihren Wünschen und Ideen ernst genommen“, schreiben die Autoren. Die Studie zeigt, dass die reformpädagogisch inspirierten Methoden sowohl bei Schülern als auch bei Lehrern auf hohe Akzeptanz stoßen. Allerdings veränderten sie auch die Anforderungen an die Pädagogen, da Lernbegleitung statt Wissensvermittlung im Vordergrund steht. Mit dieser gelungenen Bereicherung des Kursunterrichts, heißt es im Vorwort von Erziehungswissenschaftler Prof. Dr. Heiner Ullrich (Johannes Gutenberg-Universität Mainz), stelle die ESBZ aktuell einen Leuchtturm für die Gestaltung der gymnasialen Oberstufe dar.
„Ziel des Buches ist es, die im Laufe der Jahre an der ESBZ gemachten Erfahrungen so zu dokumentieren, dass sie für pädagogisch Interessierte versteh- und nachvollziehbar werden“, so die für die Evaluation der Neuen Oberstufe verantwortlichen Wissenschaftler. Deshalb werden die neuen Lernformate in der 246-seitigen Publikation ausführlich beschrieben und durch ausgewählte Beispiele aus der Unterrichtspraxis anschaulich dargestellt. An der Evaluation, zu der nach jeder abgeschlossenen Lerneinheit eine anonymisierte Onlinebefragung sowie persönliche Interviews gehörten, nahmen mehr als 2.500 Schüler sowie 300 Lehrkräfte teil. Die Ergebnisse sollen Praktikern aus anderen Schulen Mut machen, Teile des innovativen Lernkonzepts zu übernehmen. „Bereits 90 Schulen haben Interesse bekundet und von einigen wurde die Neue Oberstufe sogar schon umgesetzt“, freut sich Dirk Randoll.
Dirk Randoll, Petra Ehrler und Jürgen Peters: Lernen mit Freude – bis zum Abitur. Das Neue Oberstufenkonzept an der Evangelischen Schule Berlin Zentrum. Beltz Juventa in der Verlagsgruppe Beltz: Weinheim und Basel 2020, 246 Seiten, 29,95 Euro. ISBN 978-3-7799-3992-4.
Zu den Autoren: Petra Ehrler arbeitet als wissenschaftliche Mitarbeiterin, Dr. Jürgen Peters ist Lehrkraft für besondere Aufgaben und Prof. Dr. Dirk Randoll betreibt seit 2002 Bildungsforschung an der Alanus Hochschule in Alfter bei Bonn. Alle drei sind am Institut für Erziehungswissenschaft und empirische Bildungs- und Sozialforschung tätig.
Lesen Sie auch das Interview mit Professor Dirk Randoll und Petra Ehrler über die Studie auf der Webseite der Software AG – Stiftung.