Luise Paulsen ist ausgebildete Bestatterin und studiert an der Alanus Hochschule den Studiengang „Philosophie, Kunst und Gesellschaftsgestaltung“*. Im Interview erzählt sie, wie sie sich in ihrer Ausstellung „Schwellenübergänge des Lebens“ mit den existenziellen Themen Tod, Leben und Geburt auseinandersetzt. Wer neugierig ist, kann sich die Ausstellung bis Ostern auf dem Gelände von Campus II – Villestraße in Alfter ansehen.
Du kommst aus einer Bestatter-Familie und hast eine Ausbildung zur Bestatterin gemacht. Wie bist du darauf gekommen, danach an der Alanus Hochschule „Philosophie, Kunst und Gesellschaftsgestaltung“ zu studieren?
Mir war klar, dass ich nach meiner Ausbildung ein Studium für meine persönliche Entwicklung brauche. Der Weg zur Alanus Hochschule und dem Studiengang war eine Entwicklung mit vielen einzelnen Stationen. Als ich von dem Studiengang hörte, war ich begeistert: Da ist ER! – „Philosophie, Kunst und Gesellschaftsgestaltung“– der Studiengang von dem ich geträumt hatte, nach dem ich mich so gesehnt und gesucht hatte!
Was sollte sich in unserer Gesellschaft im Umgang mit den Themen Tod, Leben und Geburt ändern?
Ich erlebe es so, dass unsere Zeit das Leben in Abschnitte teilt, die immer weniger als letztendlich zu einem Leben gehörig empfunden werden; dies entfremdet den Menschen immer tiefgehender von sich selber. In der Zusammenführung und dem eigenhändigen-selbständigen Tun liegt Lebensfreude und -kraft. So habe ich in meinem Gesellschaft-Projekt, das Teil meiner Ausstellung ist, das Konzept für das „Haus im Zirkel der Schwellenübergänge des Lebens“ entwickelt.
Dein Studium beinhaltet drei Praxisprojekte: einGesellschaftliches, Künstlerisches und ein Philosophisches. In deinen Projekten beleuchtest du die Themen Tod, Leben und Geburt aus diesen drei Perspektiven. Wie genau hast du das umgesetzt?
In allen drei Bereichen ist die Frage „Ist es wohltuend für den Menschen, die Todes- und Geburtsschwelle zusammen zu betrachten?“ zentral. Aus dieser inneren Verwandtschaft ergeben die Projekte gemeinsam ein Ganzes, daher präsentiere ich im Rahmen meiner Ausstellung alle drei Projekte zusammen.
Im Philosophie-Projekt habe ich dann weitere Fragen, paarweise zum Thema Tod und Geburt, entwickelt. Ein Fragenpaar ist zum Beispiel: „Welche Bedeutung hat der Tod für mein Leben? Welche Bedeutung hat die Geburt für mein Leben?“ Diese Fragen konnten auf dafür entwickelten Karten von dem Personenkreis rund um den Ambulanten Hospizdienst e. V. für Bornheim und Alfter, dem Geburtshaus Bonn – Doula e. V. (wo ich jeweils ein Praktikum gemacht habe) und der Alanus Hochschule beantwortet werden. Ziel war, die Antworten gemeinsam auszustellen, sodass mit der Vielfalt der Karten ein zusammenführender und vielfältiger Betrachtungsraum entsteht, an dem sich der Mensch als Einzelner begeistern kann.
Auf Basis meiner Praxis-Erfahrungen habe ich mich gefragt: Wenn ich ein Geburts-, Sterbe- und Bestattungshaus bzw. -verein gründen würde, wie würde dieses aussehen? Entspricht es nicht dem Leben und wäre es für die tägliche an struktureller Komplexität zunehmende Arbeit unterstützend, wenn es ein Haus gäbe, das Geburts-, Sterbe- und Bestattungshaus mit Kindergarten, betreutem Wohnen / Altersheim und Anliegerwohnungen ist? Hierzu habe ich in meinem Gesellschaft-Projekt ein Konzept für ein „Haus im Zirkel der Schwellenübergänge des Lebens“ ausgearbeitet.
In meinem Kunst-Projekt habe ich meine Erfahrungen, Gedanken und Träume in eine Skulptur gewandelt: Aus einem drei Tonnen schweren Eichenbaumstamm wurde ein „Tor der Schwellenübergänge des Lebens“, das fragt: Gehen wir beim Geborenwerden und beim Sterben durch dasselbe Tor – nur jeweils von der anderen Seite?
Warum kennst du dich so gut mit Apfelsorten aus? Welche Rolle spielen sie bei deinem Projekt?
Im Kontext der Frage nach der Ausstellungsweise der Frage- und Antwortkarten des Philosophie-Projektes entstand die Idee, Apfelbäume zu pflanzen.
Neben der zentralen Projektfrage gibt es weitere Fäden, die sich konsequent durch die unterschiedlichen Ebenen aller drei Projekte ziehen. Einer der Fäden ist der Fünfstern – der sowohl im Apfelbaum als auch in uns Menschen lebt: Im Apfel wird der Fünfstern z. B. im waagerecht durchschnittenen Kerngehäuse sichtbar. Sinnbildlich für die verschiedenen Menschen, die an dem Philosophie-Projekt teilgenommen haben, habe ich fünf unterschiedliche Sorten gepflanzt: Junge und Alte, Regionale und Überregionale.
Auf der Suche nach den geeigneten fünf Apfelbäumchen, kam mir der Gedanke, diese entsprechend ihrer Reifezeit gegen den Uhrzeigersinn im Fünfeck zu pflanzen. So konnte ich neben dem räumlichen Schwellenerlebnis durch u. a. den Eintritt in das Fünfeck auch die Zeit mit aufgreifen. Das Zeitgefühl ist an den Schwellenübergängen des Lebens ein Besonderes: Drehen sich hier die Uhren rückwärts?
Wie geht es bei dir weiter? Gibt es Pläne, z. B. dein ,Geburts-Lebens-Sterbe-Haus‘ in die Realität umzusetzen?
Nach dem Studium möchte ich mich an der Geburts- bzw. Todesschwelle weiterbilden und arbeiten, sodass ich keine konkreten Pläne habe, dieses Haus zu bauen.
Das Projekt „Schwellenübergänge des Lebens“ wurde gefördert vom Förderverein der Alanus Hochschule e. V.
[*Der Studiengang „Philosophie, Kunst und Gesellschaftsgestaltung“ trug bis zum Herbstsemester 2021 den Titel „Philosophy, Arts and Social Entrepreneurship“ (kurz: Ph.A.S.E).]
Foto: © Lisa-Marie Tilg