Waldorfpädagogik und Erziehungswissenschaft
Standortbestimmung und Entwicklungsperspektive
Die Waldorfpädagogik steht einerseits in einer über neunzig Jahre bewährten Tradition einer relativ erfolgreichen internationalen pädagogischen Praxis und andererseits ist sie aus der erziehungswissenschaftlichen Perspektive mit dem Ruf der Vor- bzw. Unwissenschaftlichkeit behaftet. Ihre anthroposophischen Grundlagen erscheinen weltanschauungsbelastet und mit einem modernen Wissenschaftsverständnis unvereinbar. Somit bildet sie einen Grenzfall für das erziehungswissenschaftliche Denken.
Von Seiten der empirischen Forschung wurden in dem vergangenen Jahrzehnt zahlreiche Felder der waldorfpädagogischen Praxis empirisch untersucht; kaum eine andere Schule aus der klassischen Reformpädagogik hat sich für die Schulforschung so weit geöffnet. Die theoretischen Grundlagen der Waldorfpädagogik und ihr Geltungsanspruch stellen aber für die Erziehungswissenschaft weiterhin eine Herausforderung dar. Über den Wissenschaftscharakter der Waldorfpädagogik und über die Anschlussfähigkeit ihrer Konzepte und Praxen herrscht in weiten Bereichen des Faches Dissens und Unklarheit. Eine vertiefte Diskussion hierüber erscheint aktuell besonders dringlich, da im Zusammenhang mit den Bologna-Reformen eine wachsende Zahl waldorfpädagogisch geprägter Hochschulstudiengänge eingerichtet wird.
Eine solche Klärung wurde auch in einem Akkreditierungsbescheid des Wissenschaftsrates gefordert, der die Gefahr benennt, "eine spezifische, weltanschaulich geprägte Pädagogik im Sinne einer außerwissenschaftlichen Erziehungslehre zur Grundlage einer Hochschuleinrichtung zu machen." (Stellungnahme zur Akkreditierung der Freien Hochschule Mannheim i. Gr.)
Die Mitwirkenden an dem Forschungsprojekt möchten auf dem Weg der Klärung dieser und anderer Fragen einen Schritt voran kommen und zukünftige Felder der Diskussion und Kooperation zwischen Erziehungswissenschaft und Waldorfpädagogik in den Bereichen der Wissenschaftstheorie, der Schulentwicklung und Schulforschung, der Allgemeinen Didaktik und Unterrichtsforschung sowie in der Lehrerausbildung aufzeigen.
Das Forschungsprojekt fand in Zusammenarbeit mit dem Bund der Freien Waldorfschulen statt und war auf drei Jahre ausgelegt. Der Projektbeginn erfolgte im Sommer 2011.
Folgende thematische Schwerpunkte wurden angegangen:
- Aufarbeitung der erziehungswissenschaftlichen Positionen zur Waldorfpädagogik Themenspezifische Verortung der Waldorfpädagogik im erziehungswissenschaftlichen Diskurs.
- Grundlegende epistemische Auseinandersetzung bezogen auf die Frage der Wissenschaftlichkeit der Anthroposophie im Verhältnis zum Wissenschaftsverständnis in der Erziehungswissenschaft.
- Erziehungswissenschaft und Waldorfpädagogik / Reformpädagogik
- Waldorfpädagogik und Anthroposophie Anthropologie
- Entwicklungspsychologie
- Schulautonomie (institutionell)
- Professionstheorie (personell)
- Lerntheorie
- Didaktik
- Wissenschaftlich-kritische Aufarbeitung waldorfgenuiner Themenstellungen
Das Projekt schloss mit einem Fachkongress im Herbst 2013 und einer Publikation der Ergebnisse ab.
Projektleitung:
Prof. Dr. Jost Schieren (Alanus Hochschule)
Walter Riethmüller (Vorstand im Bund der Freien Waldorfschulen)
Mitwirkende:
Prof. Dr. Wenzel M. Götte (Freie Hochschule Stuttgart)
Prof. Dr. Peter Loebell (Freie Hochschule Stuttgart)
Prof. Dr. Harald Schwaetzer (Alanus Hochschule)
Prof. Dr. Albert Schmelzer (Institut für Waldorfpädagogik, Inklusion und Interkulturalität Mannheim)
Jun.-Prof. Dr. Wilfried Sommer (Alanus Hochschule)
Das Projekt wurde gefördert von der Pädagogischen Forschungsstelle im Bund der Freien Waldorfschulen und von der "Waldorfstiftung".
Weitere Informationen bei Prof. Dr. Jost Schieren und über das Kontaktformular.