1. Sie haben Bildhauerei an der Alanus Hochschule studiert. Welche besonderen Eindrücke sind Ihnen im Gedächtnis geblieben?
Hämmern, Sägen, Schnitzen, Schmieden, Schweißen, Flexen – Denken, Träumen, Ausprobieren: das alles habe ich im Studium erleben dürfen. Besonders gerne erinnere ich mich an die zwei intensiven Monate beim Steinsymposium in Norwegen mit Professor Andreas Kienlin und an das partizipative Land-Art-Projekt mit Professor Jochen Breme in Griechenland. Das vielfältige Studienangebot, das unterteilt ist in Pflicht- und Wahlmodule, bot mir die Möglichkeit, im Fachbereich Architektur an Seminaren und Projekten teilzunehmen und auch meinen ästhetischen Blick im Bereich Malerei zu schulen. Auch das Studium Generale mit seinen Symposien, geprägt durch Gabriele Oberreuter, Isabel Rith-Magni und Willem-Jan Beeren, mochte ich sehr, denn dort wurde Kunst im Kontext von gesellschaftlichen Fragestellungen diskutiert.
2. Welche neuen Erfahrungen konnten Sie im Laufe Ihrer Studienzeit für sich gewinnen?
Das Wichtigste für mich war, dass ich mich in kreativer Atmosphäre ausprobieren konnte, um meinen künstlerischen Weg zu finden. Ich habe regelmäßig mit meinen Kommilitoninnen und Kommilitonen meine Werke in internen oder externen Ausstellungen präsentiert und dadurch gelernt, mich der öffentlichen Diskussion zu stellen.
3. Sie haben in Ihrer Bachelorarbeit Plakatschichten von Litfaßsäulen verwendet und daraus 100 cm hohe Objekte angefertigt. Verwenden Sie heute noch in Ihren Arbeiten übereinander geklebte Schichten von Werbeplakaten?
Ich nutze gerne Material, in dem Geschichte steckt und mit dem nicht jeder arbeitet. Das sind zum Beispiel Plakatschichten, die ich als Grundmaterial für meine Werke nutze. Für meine Ausstellung „FACE_OFF! Das Gesicht in digitalen Zeiten“ erstellte ich beispielsweise themenbezogene Collagen.
4. Im August stellen Sie gemeinsam mit Judith Block Installationen, skulpturale Arbeiten und illustrative Auseinandersetzungen aus. Können Sie Inhalte und Erfahrungen aus dem Bildhauerei-Studium in die Ausstellung einfließen lassen?
Auf die Erfahrungen mit themenspezifischen Ausstellungsprojekten und die altersgemischte Gemeinschaft greife ich sehr gerne zurück. Judith und ich stammen aus unterschiedlichen Generationen. Meine Jugendzeit hat vor der Digitalisierung stattgefunden, Judith wurde hauptsächlich davon geprägt. Ich habe die Einführung von Computern beruflich begleitet, Judith ist damit aufgewachsen und sucht die Opposition. Hierdurch wird unser künstlerischer Dialog fruchtbar geprägt.
5. „FACE_OFF! Das Gesicht in digitalen Zeiten“: Welche Intention hat Ihre Ausstellung?
Erstmals in der Geschichte ist unser Gesicht durch Maschinen lesbar. Wir stehen mitten in einem Veränderungsprozess, der mit diesen Technologien einhergeht. Als Künstlerinnen mit forschendem Geist gehen wir den Fragestellungen nach: Was passiert mit Individualität und Empathie, wenn wir überall durch Maschinen erkannt werden? Verhalten wir uns in der Öffentlichkeit anders, wenn das Gesicht zum digitalisierten Machtinstrument wird?
Es wird geschätzt, dass täglich mehr als 350 Millionen mit dem Handy erstellte Aufnahmen ins Netz gestellt werden. Die Firma Clearview AI hat diese frei zugänglichen Daten genutzt, um daraus Profile zu erstellen und zum Beispiel der Polizei zur Verfügung zu stellen. Gleichzeitig werden wir heute überall von Kameras erkannt und Daten werden gespeichert. Dient dies der Sicherheit, der Strafverfolgung oder werden Profile für Produktmarketing erstellt? Wir beobachten Nachlässigkeit im Umgang mit den eigenen Daten, aber auch Besorgnis gegenüber schwer durchschaubaren Entwicklungen. Beispielsweise versuchen sich Demonstrantinnen und Demonstranten bei öffentlichen Protesten durch Tücher oder Masken zu schützen, das wird weltweit durch Vermummungsverbote geächtet. Das Internet bietet jedoch auch die Möglichkeit, sich weltweit zu vernetzen und auf Missstände hinzuweisen. Diese Bildproteste erzählen von individuellen Schicksalen, Umweltvergehen, staatlichen Repressionen und vieles mehr. Sie berichten auch von Widerstand sowie Solidarität und gewinnen dadurch eine neue Kraft.
Die Ausstellung „FACE_OFF!“ beleuchtet den Wert des Gesichts im Zeitalter der Gesichtserkennungstechnologie und bindet die Frage nach dem eigenen Gestaltungspotenzial in einen öffentlichen und fundierten Diskurs ein. Die Werke zeigen die Risiken auf, die durch Gesichtserkennungstechnologien für freiheitliche Gesellschaften entstehen. Gleichzeitig sind sie auch das Ergebnis einer Suche nach dem kommunikativen Potenzial, das durch dieselben Technologien entsteht.
Ein umfangreicher Katalog mit ausführlichen Texten erläutert die Bandbreite des Themas. Wir hoffen, den Dialog fortzuführen zu können und auch zu verbreitern.
Weitere Informationen über die Künstlerin und die Ausstellung finden Sie auf der Webseite von Barbara Otto: www.face-off-art.de und www.undart.de.