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„Ich bin ein Typ, der etwas verändern will“

Masterstudium „Waldorfpädagogik“ an der Alanus-Hochschule

Überall im Land suchen Waldorfschulen händeringend nach neuen Lehrkräften. Doch wie wird man eigentlich WaldorflehrerIn? Die Software AG Stiftung hat zwei Alanus-Studierende zu ihren Erfahrungen im grundständigen sowie im berufsbegleitenden Master-Studium in Mannheim und Alfter befragt.

WaldorflehrerIn werden – das können AbsolventInnen der Alanus Hochschule an zwei Standorten auf unterschiedlichen Wegen: Das Studienzentrum Mannheim bietet den grundständigen Bachelor-Studiengang „Waldorfpädagogik“ sowie daran anschließend einen Master-Studiengang an, der für die Tätigkeit als Klassen- sowie FachlehrerIn für ein weiteres Fach qualifiziert. Der berufsbegleitende Masterstudiengang „Pädagogik/Waldorfpädagogik“ an der Hochschule in Alfter bei Bonn bereitet angehende WaldorflehrerInnen zusätzlich auf den Oberstufenunterricht vor.

Die Software AG – Stiftung hat mit zwei Alanus-Studierenden über ihre Erfahrungen gesprochen. Margot Steinbach (51) studiert im dritten Semester im berufsbegleitenden Masterstudiengang in Alfter, möchte Waldorfklassenlehrerin werden und das Fach Französisch unterrichten. Vincent Jüssen (28) ist in Mannheim als Erstsemester im Master „Waldorfpädagogik“ mit dem Nebenfach Musik einschrieben. Zuvor hat er dort bereits seinen Bachelor abgeschlossen.

Frau Steinbach, was hat Sie zu Ihrer Studienwahl bewogen?

Margot Steinbach: Ich habe ursprünglich BWL studiert und bin seit elf Jahren im Bereich Marketing selbständig, aber Schule und Pädagogik gehörten schon immer zu meinen Interessen. Vor einigen Jahren habe ich deshalb auch das Montessori-Diplom gemacht. Die Waldorfpädagogik habe ich durch die Schule meiner Tochter kennengelernt, wo ich mich auch im Bereich Öffentlichkeitsarbeit engagiere. Als kurzfristig eine Vertretung für ihre Französisch-Lehrerin gesucht wurde, bin ich für zwei Klassen eingesprungen. Da mir das so viel Freude bereitet hat, habe ich nach einer Möglichkeit gesucht, mich für diesen Beruf weiterzubilden.

Viele Quereinsteiger entscheiden sich für ein berufsbegleitendes Waldorflehrerseminar. Was sprach aus Ihrer Sicht für den akademischen Weg an der Alanus Hochschule?

Margot Steinbach: Der akademische Abschluss bietet mir mehr Sicherheit – er ist überall anerkannt und ich werde damit auf jeden Fall eine Anstellung finden. Integriert in das Studium an der Alanus Hochschule sind auch Veranstaltungen am Kasseler Lehrerseminar, die für mich eine spannende Ergänzung darstellen. Außerdem ist das berufsbegleitende Studium für mich ideal, um die verschiedenen Lebensbereiche zu kombinieren.

Herr Jüssen, warum wollen Sie Waldorflehrer werden?

Vincent Jüssen: Ich war selbst zwölf Jahre lang in Freiburg Waldorfschüler und möchte meinen zukünftigen Schülerinnen und Schülern das ermöglichen, was ich selbst in meiner Schulzeit so positiv erlebt habe: diese unglaublich vielfältigen Erfahrungen, die ich machen durfte und die meinen Blick auf die Gesellschaft geprägt haben. Ich bin ein Typ, der etwas verändern will – mit der Waldorfpädagogik habe ich dazu ein wunderbares Instrument an der Hand. Außerdem hat es mich interessiert, mehr über die Hintergründe der Pädagogik zu erfahren.

Wie erleben Sie das Studium?

Vincent Jüssen: Ich genieße das Studentenleben. Wir Studierenden sitzen viel zusammen, tauschen uns aus oder musizieren gemeinsam. Bei all dem erlebe ich eine große Offenheit und Akzeptanz. Gleichzeitig lerne ich durch die anderen ganz viele neue Perspektiven kennen. Das hat eine besondere Qualität, auch im Umgang und Austausch mit den Dozierenden. Mein Masterstudium habe ich im September 2020 aufgenommen, aber ich kenne die Hochschule und die Abläufe ja schon von meiner Zeit als Bachelor-Student. Seit Anfang November läuft das Studium wegen Corona wieder nur online. Davor waren einige Wochen Präsenzstudium möglich, natürlich mit Maske und Abstand. Für die Studierenden, die für den Master ganz neu nach Mannheim gekommen sind, ist das natürlich eine schwierige Situation.

Margot Steinbach: Unser berufsbegleitendes Studium ist in Blockwochen organisiert. Die konnten zum Glück vor dem November-Lockdown noch vor Ort stattfinden – auch die drei Wochen am Lehrerseminar in Kassel. Jetzt stehen erst einmal mehrere Wochenend-Seminare an. Das klappt auch online ganz gut. Wir kennen uns inzwischen und alles hat sich einigermaßen eingespielt. Anfangs hatten alle die Kamera aus, aber mittlerweile machen viele sie an. Dadurch entsteht etwas mehr Interaktion. Zu den acht Blockwochen kommen noch einmal ebenso viele Wochenenden, die nur in Alfter stattfinden. Weil ich auch Französischlehrerin werden will, habe ich in diesem Semester zusätzlich noch eine Sprachwoche und mehrere Wochenenden in Mannheim.

Wie eng sind im berufsbegleitenden Studium die Kontakt zu Ihren Mitstudierenden?

Margot Steinbach: Am Anfang hatte ich die Vorstellung, ich könnte das Studium relativ distanziert und mit wenig Aufwand berufsbegleitend durchziehen – ohne viel Drumrum. Aber schon nach kurzer Zeit habe ich festgestellt, was für eine nette Gruppe das ist. Die anderen sind zwischen 25 und Mitte 50. Mit meinen 51 Jahren bin ich also fast die älteste. Aber ich erlebe uns zusammen eigentlich als alterslos. Wir sind wirklich ein schöner, bunt zusammengewürfelter Haufen. 

An den Waldorfschulen gibt es vor allem in der Unter- und Mittelstufe im Vergleich zu staatlichen Schulen große Freiheiten, etwa, was den Lehrplan angeht. Wie beurteilen Sie das?

Vincent Jüssen: Ich finde das ausgesprochen zeitgemäß und sinnvoll! Es gibt natürlich Lehrplan-Empfehlungen, aber es sind eben lediglich Anregungen. Auf diese Weise kann ich immer schauen, wo die Kinder stehen und was sie gerade brauchen. Manchmal wirft diese Freiheit auch sehr konkrete Fragen auf. In solchen Situationen hätten wir Studierenden vielleicht gerne eine Art Sicherheitsleine, etwas, woran wir uns entlanghangeln können. Aber es geht eben um das eigenständige Denken. Das kommunizieren die Professoren sehr deutlich.

Margot Steinbach: Ich finde es großartig, wieviel Gestaltungsfreiraum ich als Lehrerin habe. Ich unterrichte ja schon als Französischlehrerin in Düsseldorf und es macht mir viel Spaß, mir immer wieder zu überlegen, wie ich meine Klasse zu den gerade anstehenden Themen hinführen kann. Wir tragen natürlich auch eine große Verantwortung. Wir können viel bessere Lehrer sein als andere, aber auch viel schlechtere.

Was denken Sie: Was müssen Sie lernen, um ein guter Waldorflehrer zu sein? Welche Rolle spielt die Persönlichkeitsentwicklung?

Vincent Jüssen: Ich würde das auf ein paar Tugenden oder Fertigkeiten herunterbrechen. Man sollte offen sein – auch für Kritik. Als Klassenlehrer finde ich es zum Beispiel ganz zentral, dass Kollegen zu mir in die Klasse kommen und mir ihren Außenblick auf meine Arbeit schildern. Wichtig ist auch die Vor- und Nachbereitung des Unterrichts: also wirklich für jede Stunde zu überlegen, was ich vorhabe und danach auch zu schauen, wie es gelaufen ist und weitergehen soll.

Margot Steinbach: Für mich sind Liebe und Aufgeschlossenheit gegenüber anderen Menschen zentral. Und es ist wichtig, seinen eigenen Impulsen zu vertrauen und Teil der Prozesse zu werden. „Erziehung ist Selbsterziehung“, dieses Waldorf-Motto erlebe ich als sehr hilfreich, weil ich nicht nur am Kind erkenne, was gut gelingt und was noch nicht, sondern auch an mir selbst.

Die Alanus Hochschule hat den Anspruch, sich vor dem Hintergrund anderer pädagogischer Richtungen auch kritisch mit Rudolf Steiner auseinander zu setzen. Wie schlägt sich das im Studium nieder?

Margot Steinbach: Ich nehme das ständig sehr stark wahr. Wenn wir z. B. Texte von Steiner besprechen, sagt niemand „So war es schon vor hundert Jahren und so muss es jetzt immer gemacht werden". Vielmehr herrscht eine offene Diskussionsrunde. Einmal im Jahr an Pfingsten gibt es in Alfter eine Veranstaltung, zu der auch Waldorf-Kritiker eingeladen werden, das finde ich richtig gut. Es geht auch hier darum, sich seine eigene, differenzierte Meinung zu bilden.

Vincent Jüssen: Das kann ich absolut bestätigen. Im Vordergrund steht eindeutig die Pädagogik und weniger die Person Rudolf Steiners. Auch kontroverse Themen können in dieser Atmosphäre offen diskutiert werden, da beziehen die Professoren ganz klar Stellung.
 

„Ich bin ein Typ, der etwas verändern will“