An der Alanus Hochschule erhielt Larissa Beckel, Stipendiatin am Graduiertenkolleg Waldorfpädagogik, für ihre Promotion zum Thema Bildungsgerechtigkeit die Doktorwürde. Im Rahmen der Dissertation mit dem Titel ‚Ich will kein Märchen werden‘. Bildungserfahrungen geflüchteter Adoleszenten an einer Waldorfschule führte Beckel zahlreiche Interviews mit neun geflüchteten Schüler:innen einer Waldorfschule und erfasste deren Erfahrungen mit dem deutschen Bildungssystem. Die Ergebnisse zeigen, dass Waldorfschulen aufgrund ihres ganzheitlichen pädagogischen Ansatzes gute Voraussetzungen mitbringen, Kindern und Jugendlichen Chancengleichheit in der Schulbildung zu bieten. Die Erkenntnisse der Arbeit liefern Anregungen für die (waldorf-)pädagogische Praxis und helfen, Schulen zu mehr Vielfalt zu entwickeln.
Geflüchtete Jugendliche „wollen nicht zu einer ‚Integrationserfolgsstory‘ stilisiert werden“
„Bildungsaufstieg und die sich damit eröffnenden Partizipationsmöglichkeiten sind in Deutschland nach wie vor eng mit dem sozialen Hintergrund der Eltern verknüpft“, erläutert Beckel den thematischen Kontext ihrer Arbeit. Insbesondere für Kinder und Jugendliche mit Migrationshintergrund bestehe daher ein hohes Risiko, im Bildungssystem benachteiligt zu werden, führt die Promovendin weiter aus. Eine individuelle pädagogische Begleitung der Jugendlichen an Waldorfschulen könne hierbei effektiv entgegenwirken. Zu diesem Schluss kommt Beckel, die neun geflüchtete Jugendliche in ihrem Schulalltag an einer Waldorfschule begleitete und zu deren Bildungserfahrungen befragte. Was Beckel im Rahmen der Erhebung besonders deutlich geworden ist: „Die Jugendlichen möchten die Chance haben, ein ‚normales‘ Leben führen zu können, und wollen nicht zu einer ‚Integrationserfolgsstory‘ stilisiert werden.“ Durch das Asyl- und Bildungssystem sowie gesellschaftliche Diskurse werden diese aber wiederholt daran erinnert, nicht „normal“ zu sein, ergänzt Beckel. Mit ihren Forschungsergebnissen zeigt die Promovendin, dass eine individualisierte Pädagogik und ein multiprofessionelles, diverses Team helfen, die Jugendlichen besser zu fördern. Schule kann somit nicht nur vielfältiger werden, sondern die Schulkultur sich als Ganzes zu mehr Offenheit wandeln. Beckel hofft, dass ihre Resultate in der pädagogischen Praxis als Anregung genommen werden, um Schule und Unterricht zu Orten der Chancengleichheit zu entwickeln.
Forschungsergebnisse liefern Anregungen für Bildungswissenschaft und Waldorfpädagogik
Axel Föller-Mancini, Professor für qualitative Methoden in der Bildungsforschung an der Alanus Hochschule und Beckels Promotionsbetreuer, betont die Bedeutung der Forschungsergebnisse für eine erfolgreiche pädagogische Begleitung nach Deutschland geflüchteter Jugendlicher: „Hier wird an Einzelfallanalysen das Strukturpotenzial einer begleitenden pädagogischen Institution exemplarisch.“ Auch für Wissenschaft und waldorfpädagogische Praxis leiste die Promotion Beckels einen wichtigen Beitrag, sagt Wolfgang Nieke, Professor am Institut für Allgemeine Pädagogik und Sozialpädagogik der Universität Rostock. Jost Schieren, Professor für Schulpädagogik mit dem Schwerpunkt Waldorfpädagogik an der Alanus Hochschule und Leiter des Graduiertenkollegs Waldorfpädagogik, sieht in Beckels Dissertation einen wichtigen Beitrag, um das Bewusstsein für Diversität an Waldorfschulen zu steigern. „Es freut mich, dass wir seitens des Graduiertenkollegs dieses wichtige Projekt von Frau Beckel fördern konnten“, betont Schieren.
Das Graduiertenkolleg Waldorfpädagogik an der Alanus Hochschule wurde im Jahr 2015 gegründet und fördert Promotionsvorhaben, die insbesondere die pädagogische Praxis an Waldorfschulen wissenschaftlich untersuchen. Finanziert wird das Graduiertenkolleg von der Software AG – Stiftung, der Pädagogischen Forschungsstelle beim Bund der Freien Waldorfschulen und der Firma Stockmar.